Sonntag, 11. Dezember 2011

Die Buddha-Therapie

"Dieses Buch wendet sich an alle, die einen Punkt erreicht haben, an dem sie sich sagen: Es reicht!" Mit diesem Satz leitet Chönyi Taylor ihre Buddha-Therapie ein. Es ist ein guter, ein wichtiger Satz. Bei den Anonymen Alkoholikern heisst es, dass man seinen persönlichen Tiefpunkt erreicht haben muss, bevor an eine Verhaltensänderung zu denken ist. Gemeint ist dasselbe. Ohne dass ein Süchtiger diesen Punkt erreicht hat, gibt es keine Veränderung.

"Jede Form der Sucht ist im Grunde nichts anderes als die verzweifelte Suche nach Glück, ein Versuch, die unangenehmen, deprimierenden oder schmerzlichen Aspekte des Lebens auszublenden." Das leuchtet zwar ein, doch es legt fälschlicherweise den Verdacht nahe, Sucht komme vom Suchen. Richtig ist, dass Sucht von siech=krank kommt.

Der Ursprung der Sucht wie auch der Befreiung davon liege in unserer Art zu denken, schreibt Chönyi Taylor, der Körper sei dafür nicht verantwortlich. Ich sehe das nicht so, in meiner Sicht hat Sucht sowohl geistige, körperliche wie auch seelische Ursachen. Im Übrigen widerspricht sich Taylor selber. So schreibt sie: "Neurologische Studien zum Verlangensimpuls zeigen, dass er eine neuro-anatomische Basis hat."

Drei Meditationstechniken schlägt die Autorin vor, um die zwanghaften Muster unseres Geistes umzuwandeln: Achtsamkeit, Selbstbeobachtung und Gleichmut. Das Ziel dabei ist, frei von schädlichen Impulshandlungen zu werden.

"Ich habe mich für den buddhistischen Handlungsansatz entschieden, da der Buddhismus die Problematik der Begierden, die durch Anhaftung entstehen, betont, was im Buddhismus als "Verlangen" oder "Greifen" bezeichnet wird", schreibt die Autorin. Trotz der etwas hölzernen Ausdrucksweise – ich habe viel Sympathie für diesen Ansatz. Umso mehr, da niemand wirklich sagen kann, welche Suchttherapie (wenn überhaupt eine) eigentlich hilfreich ist – beweisen lässt sich die Effizienz einer Therapie jedenfalls nicht.

Um von der Sucht loszukommen, brauchen wir ein neues Wertesystem: "In dem Moment, in dem wir bewusst die Hand ausstrecken, um uns helfen zu lassen oder anderen zu helfen, ist unser Wertesystem ein anderes geworden."

Die für mich tollsten Anregungen habe ich unter dem Titel "Ein paar Goldkörnchen aus dem Schatz der Weisen" gefunden. Hier zwei Beispiele:

"Wenn du durch die Hölle gehen musst, bleib nicht stehen" (Winston Churchill)

"Betrachte das Ego als das, was es ist: Eine Geschichte, die du dir über dich selbst ausgedacht hast."

Und noch toller fand ich, dass Chönyi Taylor den Goldkörnchen der Weisen diese Sätze folgen lässt: "Vielleicht erschreckt Sie ja die Kluft, die man unweigerlich feststellt, wenn man sich mit den Weisen dieser Welt vergleicht. Doch keine Sorge: Weisheit ist die Frucht erfolgreicher Bewältigung unserer Probleme. Weisheit entwickeln wir nicht dadurch, dass wir viele Bücher lesen, sondern indem wir uns auf das Leben mit all seinen Schwierigkeiten einlassen. Wir entwickeln Weisheit, indem wir uns aus dem Dickicht unserer Probleme mit ebenso viel Mut wie Bescheidenheit – Qualitäten, die wir durch Aufrichtigkeit und Gleichmut erlangen – befreien."

"Die Buddha-Therapie" ist ein sympathisches und hilfreiches Buch.

Chönyi Taylor
Die Buddha-Therapie
Süchte mental besiegen
Diederichs, München 2011

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